Tee Geschichten
Tee trinken, heisst den Lärm der Welt zu vergessen


Tee trinken ist eine jahrhundertealte Tradition, die Kulturen weltweit miteinander verbindet. Egal ob weisser, grüner, gelber, schwarzer, Oolong- oder Pu-Erh-Tee – sie alle stammen von der Teepflanze Camellia sinensis. Die Kunst des Teetrinkens liegt nicht nur im Genuss des Getränks selbst, sondern auch im Ritual, das mit dem Zubereiten und Geniessen einhergeht. Es ist eine Praxis, die uns hilft, den Lärm der Welt zu vergessen und einen Moment der Ruhe zu finden. Ich erinnere mich noch gut an meine Kindheit, als Tee schon eine wichtige Rolle in meinem Leben spielte. Es gab selbstgemachten Lindenblüten- oder Hagebuttenaufguss, und wenn Besuch kam, wurde Schwarztee auf einem Stövchen serviert. Die Wärme und der Duft des Tees schufen eine Atmosphäre des Wohlbefindens und der Gemeinschaft. Schon damals zog mich frischer Kräuteraufguss magisch an. Später entdeckte ich die Welt der losen Teeblätter und begann, meine Tees in Fachgeschäften zu kaufen, wo ich die Besonderheiten der verschiedenen Tees und Aufgüsse kennenlernte. Mit der Zeit wuchs meine Leidenschaft für Tee. Ich erkannte, dass das Teetrinken weit mehr ist als das blosse Konsumieren eines Getränks. Es ist eine Kunst, ein Ritual und eine Form der Meditation. Besonders die Auseinandersetzung mit der eigentlichen Teepflanze, der Camellia sinensis, faszinierte mich. Ein wertvoller Buchtipp, „Gong Fu Cha: Tee als Handwerkskunst und das bewusste Geniessen“. Um meine Kenntnisse zu vertiefen, begann ich, spezialisierte Teeläden wie das „The Queen Camellia Tea House“ in Luzern und den „Länggass Teeladen“ in Bern zu besuchen. Dort erlebte ich nicht nur die Vielfalt an Teesorten, sondern auch die Tiefe der Aromen und die Kunst der Zubereitung. Ich besuchte eine Teeschule und lernte die Grundlagen der Verarbeitung, Zubereitung und Sensorik. Jeder Tee hat seinen eigenen Charakter, seine eigene Geschichte und sein eigenes Aroma – eine Vielfalt, die durch die unterschiedlichen Anbaugebiete, die Erntezeit und die Verarbeitungstechniken entsteht. In diesem Jahr erfüllte sich ein Traum: Gemeinsam mit meinem Partner planten wir eine Reise nach China, um die Ursprünge des Tees im Gebiet Yunnan und Sichuan zu erkunden. Diese Reise führte uns tief in die jahrtausendealte Teekultur Chinas und liess uns die vielfältigen Facetten des Teeanbaus und -genusses erleben.

Unsere erste Station war Chengdu, die Hauptstadt der Provinz Sichuan. Hier besuchten wir das traditionelle „Shao Chenk Tea House“ im People’s Park – ein Treffpunkt für Jung und Alt, voller Leben und Energie. Während wir frisch aufgebrühten Tee genossen, konnten wir beobachten, wie Einheimische Mah Jongg(chinesisches Brettspiel) spielten, hochprozentigen Baijiu(Schnaps) tranken und Hot Pot (chinesisches Fondue) assen. Selbst Dienstleistungen wie das Ohrenputzen wurden angeboten, während ältere Damen in den Ecken Qigong-Übungen durchführten. Die Atmosphäre war lebendig und chaotisch, und so erhielten wir einen ersten, eindrucksvollen Einblick in die chinesische Teekultur

Unsere Reise führte uns weiter nach Dujinangyan, wo wir auf der „Tee und Pferdestrasse“ wanderten. Dieser historische Handelsweg war einst die wichtigste Verbindung für den Teehandel zwischen den chinesischen Provinzen Yunnan und Sichuan im Osten sowie Tibet und Indien im Westen. Der Weg, der sich durch die Berge schlängelt, vermittelte uns ein Gefühl dafür, wie beschwerlich der Transport des Tees in früheren Zeiten gewesen sein muss.

In Mingshan erklommen wir den Berg Mengding Shan, der als Geburtsort der weltweiten Teekultur gilt. Die Teeplantagen auf diesem Berg sind die ältesten der Welt und wurden bereits in schriftlichen Aufzeichnungen erwähnt. Der Anbau soll auf Wu Lizhen zurückgehen, der von 200 v. Chr. bis 53 n. Chr. lebte. Diese Plantagen lieferten in früheren Zeiten den Tee für den Kaiserhof und sind heute ein Ort, an dem die Geschichte des Teeanbaus lebendig bleibt.

Ein weiteres Highlight war der Besuch eines Handelsplatzes in Mingshan. Hier konnten wir das Treiben der Händler und Bauern beobachten und uns selbst im Handeln versuchen. Der Markt war erfüllt von Stimmen, die Preise aushandelten, und von den Düften verschiedener Teesorten, die wir probieren durften. Wir ließen uns von der Vielfalt und Qualität der angebotenen Tees beeindrucken und nutzten die Gelegenheit, einige unserer Lieblingssorten direkt von den Produzenten zu erwerben.

Im Dorf Shaunghe erlebten wir einen weiteren Markt, auf dem frisch gepflückter Tee gehandelt wurde. Die Bauern trafen mit Bambuskörben voller Teeblätter ein, die oft bis zu 25 kg wogen. Auf dreirädrigen Transportmofas fuhren sie die engen Gassen entlang und boten ihre Ernte den Händlern an. Die Preisverhandlungen waren laut und emotional, und wir konnten hautnah miterleben, wie viel Herzblut und Hingabe in den Teeanbau fliessen.

Eine Wanderung durch die Teeplantagen in Mei Gong Lu im Mingshan-Gebiet zeigte uns den arbeitsintensiven Prozess der Teeerzeugung. Die Teebauern pflückten den Frühlingstee von Hand, jedoch konnten aufgrund fehlender Arbeitskräfte nicht alle Blätter geerntet werden. Viele junge Menschen ziehen heutzutage in die Städte, was die traditionelle Teeernte vor Herausforderungen stellt.

In Danminglu besuchten wir eine kleine Teeverarbeitungsfabrik, die von einer Familie geführt wird. Hier erfuhren wir, wie Grüntee und vor dem Totenfest auch Weisstee produziert werden. Der herzliche Besitzer erklärte uns den Prozess der Teeherstellung, und wir durften die frisch produzierten Tees bei einer traditionellen Gong Fu Cha (Teezeremonie) Verkostung probieren.

In Jianshui entdeckten wir ganze Strassenzüge voller Geschäfte, die sich ausschliesslich dem Tee und der Teekeramik widmen. Bevor man etwas kauft, ist es üblich, eine Teeverkostung zu machen, um sicherzugehen, dass man die beste Qualität erhält. Diese Art des Einkaufens gab uns die Möglichkeit, unterschiedliche Teesorten kennenzulernen und unser Wissen über Teegeschirr zu vertiefen.

Unser Besuch in Pu’er, einer Stadt, die als Namensgeber des berühmten Pu’er-Tees dient, markierte einen weiteren Höhepunkt. Hier startete einst die „Tee- und Pferdestraße“, die von Yunnan nach Tibet führte. Die Wanderung durch die Teewälder auf dem Jingmai Berg, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, war beeindruckend. Die jahrhundertealten Teebäume, manche über 1000 Jahre alt und bis zu 6 Meter hoch, zeugten von der tief verwurzelten Teetradition dieser Region. Diese Reise hat mein Wissen und meine Leidenschaft für Tee enorm bereichert. Ab Oktober habe ich mit einer Ausbildung zur Teespezialistin begonnen, um meine Reise in die faszinierende Welt des Tees fortzusetzen. Ich freue mich darauf, noch viele weitere Teeerlebnisse zu sammeln und die Kunst des Tees in all ihren Facetten zu erleben.


茶之道, 人之道。” (Chá zhī dào, rén zhī dào.)
„Der Weg des Tees ist der Weg des Menschen.“ Diese Weisheit zeigt, dass Tee nicht nur ein Getränk, sondern auch ein Spiegel des Lebens und der menschlichen Natur ist. Tee verkörpert Geduld, Gelassenheit und Harmonie – Werte, die uns in unserer hektischen westlichen Kultur oft verloren gehen. Durch das bewusste Teetrinken lernen wir, innezuhalten, die Schönheit im Einfachen zu entdecken und uns mit uns selbst und anderen zu verbinden.